Kurze
artikulatorische Phonetik des Bayrischen
Lautschrift
Um über die
Aussprache des Bayrischen reden zu können, ist es notwendig,
eine Lautschrift zu verwenden, die der besonderen Aussprache
Rechnung trägt. Wir versuchen, die für diese Grammatik
verwendete Lautschrift so einfach und gleichzeitig verständlich
wie möglich zu halten. Dies ist vor allem deshalb notwendig, da
es leider noch keine standardisierte Orthografie für das
Bayrische gibt. Es ist im nachfolgenden allerdings nicht
vermeidbar, auf sprachwissenschaftliche Ausdrücke
zurückzugreifen.
Beschreibung der
Vokale und Konsonanten
Wir verzichten
bewusst darauf, eine Vielzahl von Sonderzeichen für die
schriftliche Darstellung der Aussprache von Wörtern im
Bayrischen zu verwenden. Im Gegenteil versuchen wir, die
Aussprache so darzustellen, wie Sie sie aus dem Schriftdeutschen
gewohnt sind. Die folgenden orthografischen Besonderheiten
müssen jedoch aus wissenschaftlicher Genauigkeit erwähnt werden:
Vokale
- a und o
werden offen und hell ausgesprochen, wie z.B. 'Faggl'
('Fackel') und 'Ros' ('Roß')
- à und ò
werden geschlossen und hell ausgesprochen, wie z.B. 'Fàgge'
('Ferkel') und 'Sògga' ('Socken')
- ā und ō
werden lang und dunkel gesprochen, wie z.B. 'Sāg' ('Sarg')
und 'sōg' ('sage')
- Zu den
standardsprachlichen vorderen gerundeten Vokalen 'ü' und 'ö'
gibt es im Bayrischen keine Entsprechung. Diese werden ohne
Lippenrundung ausgesprochen, also 'i' z.B. 'iba' für 'über',
'Gligg' für 'Glück' oder 'meng' für 'mögen' und 'kenna' für
'können'
Konsonanten
- Harte Konsonanten wie
'p, t, k' werden eher weich ausgesprochen z.B. 'Bäda' statt
'Peter', 'Disch' statt 'Tisch'; regelmäßig gilt dies vor
allem im Wortinneren zwischen Vokalen ('Teppich' - 'Debbich')
- Weiche Konsonanten
werden im Wortinneren zwischen Vokalen noch weicher
ausgesprochen, wie z.B. Kaiwe ('Kälbchen') oder Loàwe
('Laib')
- Am Wortanfang werden
im Bayrischen 'sp' zu 'schp' und 'st' zu 'schd'
- Nach Vokalen, vor
allem nach 'e' und 'i' tendiert das 'r' dazu, wie 'eà' bzw.
'ià' ausgesprochen zu werden, d.h. das 'r' wird vokalisiert.
Steht das 'r' zwischen zwei Vokalen, wobei der erste Vokal
ein 'a' ist, bleibt es erhalten ('warum'). Dennoch kommt es
aber zur Diphthongierung des ersten Vokals, wenn es kein 'a'
ist: 'Leàrarin' - 'Lehrerin'
- Auch das 'l' wird
vokalisiert nach 'o' und 'u': 'Soidad' - 'Soldat', 'Schui' -
'Schule'
Weitere Besonderheiten des Bayrischen
Diphthonge
Besondere
Erwähnung benötigen die Diphthonge im Bayrischen.
Unter
Diphthongen versteht man eine Folge von zwei Vokalen, die durch
eine Übergangsphase (Transition) miteinander verbunden sind,
z.B. 'Leute', 'speisen', 'dein' usw.
- Überwiegend wird
standardsprachliches Mittelhochdeutsch 'ei' im Bayrischen
als 'oà' realisiert, d.h. der 'Stein' wird zum 'Schdoà', die
'Leiter' zur 'Loàdda'. Im Gegensatz dazu wird jedoch z.B.
'mein', 'dein' usw. nicht zu 'moà' etc., sondern bleibt
'mai', 'dai' und so weiter. Der Grund hierfür liegt in der
Herkunft der Diphthonge im Mittelhochdeutschen, in diesem
Fall auf 'ei' bzw. 'ou'. Das Bayrische entwickelte sich in
diesen Bereichen anders als das Hochdeutsche
- Ebenfalls werden
standardsprachlich einfache Vokale wie 'i, u, ü'
diphthongisiert zu 'ià' ('Krieg' zu 'Griàg'), 'u' zu 'uà'
('Wut' zu 'Wuàd') und 'ü' zu 'ià' ('Brüder' zu 'Briàda')
- Historisch
verhinderten 'ck, tz, pf' den Umlaut, deswegen heißt es
'Bruggn' für 'Brücke', 'nutsn' für 'nützen' und 'hupfa' für
'hüpfen'.
Spirantisierung
- Zwischen Vokalen wird
der bilabiale Plosivlaut 'b' zu einem stimmhaften bilabialen
Frikativ 'w' ('Weiber' - 'Waiwa')
Tilgung und Assimilation
- Kommt es zu einer
Folge von Plosiv und Nasalkonsonant, wird der Nasalkonsonant
zum Silbenträger und an die Artikulationsstelle des Plosivs
assimiliert. Anschließend wird der Plosiv getilgt. ('haben'
- 'ham', 'sagen' - 'sòng', 'baden' - 'bòn')
Tilgung von Nasalkonsonanten
- Steht nach einem Vokal
ein Nasalkonsonant (wie z.B. 'n') im Auslaut, wird dieser
getilgt: 'schön' - 'sche', 'klein' - 'gloà', 'Mann' - 'Mò',
'an' - 'ò'
Prä-
und Suffixe
Reduktion und Tilgung von Präfixen ('ge-')
- vor Dauerlauten
(=Vokale, m, n, r, l, h, v, f, s) wird 'ge-' auf 'g-'
reduziert: 'gearbeitet' - 'gabad', 'gemacht' - 'gmachd' usw.
Das Gleiche gilt für Substantive, Adjektive und Adverbien:
'Gesicht' - 'Gsichd', 'gesund' - 'gsund'
- vor Plosiven
(p,t,k,b,d,g) verschwindet 'ge-' ganz: 'gekocht' - 'kochd',
'getan' - 'doà', 'geblieben' - 'blim'
Reduktion und Tilgung von Suffixen ('-en')
- Beim Suffix '-en' wird
der Vokal '-e-' im Bayrischen regelmäßig getilgt und der
Nasalkonsonant '-n' an die Artikulationsstelle des
vorhergehenden Konsonanten assimiliert; ist dieser Konsonant
ein Plosiv ('b,d,g'), so wird auch er getilgt: 'wir geben' -
'mià gem', 'wir legen' - 'mià leng' oder 'wir baden' - 'mià
bon'
- Nach einem
Nasalkonsonanten bleibt der Vokal erhalten, wandelt sich
aber zu '-a', in seltenen Fällen zu '-ga': 'wir schwimmen' -
'mià schwimma', 'wir gehen' - 'mià genga'
Die
r-Vokalisierung
Durch die
r-Vokalisierung wird die Aussprache von 'r' zu 'a': 'Vater' -
'Foda', 'Mutter' - 'Muàda', 'Bruder' - 'Bruàda'
Zwischen
einem 'a' und einem folgenden Konsonanten kommt es zu einer
Verschmelzung und zu einer Ersatzdehnung, die folglich als
Langvokal geschrieben wird: 'Parlament' - 'baalament', 'ein
warmes Bier' – 'a waams bià'.
Die
l-Vokalisierung
Ebenso
wie die r-Vokalisierung ist auch die l-Vokalisierung völlig
generalisiert:
- nach hinteren Vokalen
(a, o, u): 'Soldat' - 'Soidad', 'er soll' - 'eà soi',
'Tulpe' - 'Duibbn', 'also' - 'oiso', 'kalt'- 'koid'
- nach vorderen Vokalen
(i, e): 'Milch' - 'Muich', 'viel' - 'fui', 'Brille' -
'Bruin', 'schnell' - 'schnei'
Morphologie (Wortbildung, Deklinationen und Konjugationen)
Wortarten und Flexionskategorien
Das
Bayrische besitzt dieselben Wortarten wie das Deutsche. Dennoch
gibt es einige Unterschiede in der Morphologie der
Hauptwortarten und bei der Verwendung von Funktionswörtern.
Hauptwörter (Nomina)
Im
Gegensatz zum Hochdeutschen gibt es in der bayrischen Sprache
keine Hauptwörter auf '-e': 'Nase' - 'Nosn', 'Straße' -
'Strass', 'Suppe' - 'Subbn'.
Die
zusätzlichen -n-Endungen erklären sich wahrscheinlich, wie
zahlreiche -e- und -n-Bildungen der Standardsprache, als
reanalysierte ehemalige Pluralformen.
Einzahl und Mehrzahl (Numerus)
Die
Pluralregeln sind (wie im Deutschen) komplex und bilden eine
Reihe von Klassen. Teilweise erkennt man Ein- oder Mehrzahl nur
am Artikel ('das Kalb - die Kälber' - 'as kaiwe - d'kaiwe').
|
der Tag |
das Haus |
das Kind |
die Frau |
der Vogel |
der Fisch |
Einz. |
da
Dōg |
as
Haus |
as
Kind |
d'Frau |
da
Fogl |
da
Fisch |
Mehrz. |
de
Dōg |
d'Haisa |
d'Kinda |
d'Fraun |
d'Fegl |
d'Fisch |
Regel: |
null |
uml+suf |
suf |
suf |
uml |
kurz |
Abkürzungen: null = Nullableitung, uml = Umlaut, suf =
Suffigierung, kurz = Kürzung
Die
Wörter gehören dabei nicht immer denselben Klassen an wie im
Deutschen: 'de dōg' ist im Bayrischen eine Nullableitung, im
Deutschen eine Suffixbildung ('die Tage').
Fälle
(Kasus)
Die drei
bayrischen Fälle sind Nominativ, Dativ und Akkusativ. Der
Genitiv wird gebildet aus der Präposition 'von' und dem Dativ
('as Bià fo dem Mō').
Kasus |
männl. |
weibl. |
sächl. |
Nominativ |
da
Noge |
d'Kuà |
des Haisl |
Akkusativ |
den Noge |
de
Kuà |
des Haisl |
Dativ |
dem Noge |
deara Kuá |
dem Haisl |
Wenn der
Genitiv ein Besitzverhältnis anzeigt, so sagt man: 'am Schoàsch
sai Zäanoge' - 'dem Georg sein Zehennagel' oder 'Georgs
Zehennagel'.
Grammatisches Geschlecht (Genus)
Wie im
Deutschen werden beim Nomen im Singular drei Genusklassen
unterschieden, nämlich männlich, weiblich und sächlich: 'da
Schdoà' - 'der Stein', 'd'Muich' - 'die Milch' und 'as Glasl' -
'das Glas'.
Verkleinerungsformen (Diminution)
Die
Verkleinerungsformen des Bayrischen weichen von denen des
Deutschen in deren Bedeutung überwiegend ab. Obwohl der
Diminutiv häufig verwendet wird, hat er selten dieselbe Stellung
wie im Hochdeutschen.
Prinzipiell gibt es nur '-l/-al' und den kindlichen Diminutiv
auf '-i', der jedoch nicht immer angewendet werden kann.
Hochdeutsch |
Bayrisch -l/-al |
Bayrisch -i |
das Männchen |
as Mandal |
|
das Häuschen |
as Haisl/-al |
|
das Frauchen (Weibchen) |
as Waiwal |
as Waiwi |
das Kindchen |
as Kindl/-al |
|
das Hundchen |
as Hundl/-al |
as Hundi |
das Mädchen |
as Madl/Medal |
as Medi |
Wie im
übrigen deutschen Sprachgebiet wandeln Diminutivsuffixe den
Genus in neutrales Geschlecht - außer bei bestimmten Formen der
Eigennamen, im Unterschied zum Deutschen; hier drückt die
Unterdrückung des Genuswechsels eindeutig eine positiv-affektive
Konnotation aus:
Hochdeutsch |
Bayrisch |
das Georgchen |
da
Schoàschi, da Schoàschl, as Schoàschal |
das Karlchen |
da
Kali |
das Seppchen |
da
Säbbi, as Säbbal |
das Fritzchen |
as
Fritzal, da Fritzi |
das Peterchen |
da
Bädal |
das Lieschen |
d'Lisi, as Lisal |
Beim
Diminutiv kommt es zu Irregularitäten mit Umlautformen, wie bei
'Haisl' von 'Haus'; der Diminutiv auf '-i' unterdrückt alle
Umlautregeln.
Das
Suffix '-al' erfordert den morphophonologischen Einschub eines
homorganischen stimmlosen Lenis nach Nasalen, z.B. 'Mandal',
'Lampal' ('Männchen', 'Lämmchen'). Das ist eine invertierte
Regel, weil sie sich auf den früheren Verlust von Lenes nach
Nasalen im Althochdeutschen gründet: 'zant', 'lamp'. Die heutige
Regel wird in jedem passenden Kontext realisiert, z.B. in
'Wain-d-al', 'Kan-d-l', 'Hen-d-l' ('Wein-chen, Känn-chen,
Hähn-chen').
Soziopragmatik von Verkleinerungsformen
Wie
bereits erwähnt, finden sich deutlich Unterschiede in Häufigkeit
und Bedeutung von Diminutivformen; zum einen werden Diminutive
im Bayrischen häufiger gebildet, zum anderen kommt es zu
markierten Varianten, z.B. bei 'Haisl', das auch 'Toilette'
bedeutet, während 'Haisal' ein 'kleines Haus' bezeichnet. Wie im
romanischen oder griechischen Sprachraum wird der Diminutiv
häufig auch soziopragmatisch genutzt, um Vertrautheit oder
Zugeneigtheit zu erzeugen (diminutivum sociale). In diesen
Fällen ist nicht Kleinheit, sondern emotionale Nähe für die
Verwendung ausschlaggebend, so wie z.B. bei 'Schatzi'.
Die
Produktivität des Diminutiv ist sehr hoch, wie man am Beispiel
der französischen Entlehnung 'pot de chambre' ('Nachttopf')
erkennen kann: im Bayrischen wird daraus mit Diminutiv das
'Bodschambal'. Zusätzlich können Formen gebildet werden, die im
Hochdeutschen nicht möglich sind: 'Oàschal' im Gegensatz zu
*'Ärschchen'. Im Hochdeutschen müsste dieser Ausdruck, wie viele
andere Diminutive des Bayrischen, mit dem analytischen Zusatz
'klein', also 'kleiner Arsch' gebildet werden.
In
Verbindung mit Zahlwörtern werden Formen gebildet wie 'a Zenal'
('ein Zehnerchen' = Zehnpfennigstück). Im Bereich der Münzen des
Euro hat sich noch keine bekannte Neubildung ergeben.
Auch im
Hochdeutschen ist der Diminutiv im Bereich der Verben bekannt:
'köcheln', 'hüsteln', usw. sind Formen mit metaphorischer
Verkleinerung der Handlung. Im Bayrischen existieren zahlreiche
beliebte Wortbildungen wie: 'busln' ('Küsschen geben'), 'goadln'
('im Garten arbeiten'), 'fuasln' ('Füsse aneinander reiben'),
'dawuzln' ('zerreiben') oder 'rumwuàschdln' ('herumtun').
Angeblich soll man schon so fantasievolle Bildungen wie
'bodschambaln' gehört haben...
Der
Diminutiv auf '-i' ist wesentlich markierter und nur
eingeschränkt verwendbar. Er ist der 'caretaker speech'
(Ammensprache) zugeordnet, also ursprünglich an Kinder gerichtet
(diminutivum puerile); 'da Buàwi' und 'as Madi' wird als klein
und lieb empfunden, 'da hansi' ist auch lieb und klein, 'da
Hansl' ist eher nur noch vertraut, nicht mehr unbedingt klein,
'as Hansal' aber ist pejorativ, wohl auch durch den
Genuswechsel.
Diese
Funktion wird außerhalb dieses affektiven Spezialbereichs nur
noch im Rahmen von Liebe und Zuneigung erfüllt ('Schatzi'),
während er in allen anderen Bereichen leicht pejorativen
Charakter bekommt ('as Buàchi' - 'das (lächerliche) Büchlein').
Einige
affektiv besetzte Wörter gibt es nur in der Diminutivform: 'a
Busl' ('ein Kuß'), 'a wengal' ('ein wenig') und wie im Deutschen
'a bisal' ('ein bißchen').
Durch die
soziopragmatische Funktion des Diminutivs und seinen in
emotional-affektiver Rede reichen Gebrauch ist er weitgehend
generalisiert, d.h. der Diminutiv wird nicht mehr als verändernd
empfunden: 'as Buidl' ('das Bild'), 'as Glaidl' ('das Kleid'),
'as Liadl' ('das Lied'), 'as Schdoàndl' ('der Stein').
Vereinzelt führt er auch zu Derivationen, so etwa bei 'as Mandl'
(lit. 'das Männchen') in der Bedeutung eines 'kauzig-komischen
Mannes' bzw. einer kleinen 'mann-ähnlichen' Figur mit eher
positiver Konnotierung.
Unterklasse 'Personennamen'
Im
Gegensatz zum Deutschen werden in bayrischen Dialekten
Personennamen mit dem bestimmten Artikel verwendet:
Hochdeutsch |
Bayrisch |
Toni |
da
Doni |
Ludwig |
da
Luggi, da Wiggal |
Veronika |
d'Vroni |
Hans hat Sepp seine Kuh gezeigt |
da
Hansi hod dem Säbbi sai Kuà zoàgt |
Dies
trifft bei Ortsnamen und den meisten Ländernamen nicht zu:
Bayan, Daitschland, Minga, etc.; vs. d'Schwaiz, da Kosovo...
Artikel und Demonstrativpronomina
Wie
weiter oben angedeutet, wird die Nominalmorphologie fast
ausschließlich an vorangestellten Artikel realisiert; von diesen
gibt es zwei Hauptgruppen einen bestimmten und einen
unbestimmten:
Best. Art. |
männl. |
weibl. |
sächl. |
Sing. |
da
Hund |
d'Flaschn |
as
Bià |
Die
Artikel gehen historisch aus den Demonstrativpronomina hervor,
die eigene Formen haben, die als Vollformen zu den vereinfachten
Artikelformen gelten können. Durch den hohen
Grammatikalisierungsgrad sind sie eben unbetonte
Funktionswörter, die auch phonologisch reduziert wurden. Sie
haben diese aber nicht abgelöst, sondern es gibt natürlich nach
wie vor einen Satz an Demonstrativpronomina, der den Formen des
deutschen Artikels ähnlicher ist:
Dem.-pron. |
männl. |
weibl. |
sächl. |
Nom. |
dea Hund |
de
Flaschn |
des Bià |
Akk. |
den Hund |
de
Flaschn |
des Bià |
Dat. |
den Hund |
deà(ra) Flaschn |
den Bià |
Diese
Formen können korrekt mit 'dieser Hund', 'dieses Haus', 'diese
Frau', etc. übersetzt werden. Im Vergleich mit den Artikeln wird
die Verschiedenheit der ähnlichen Formen klar:
Demonstrativpronomen |
Artikel |
Der trinkt noch |
Der Mann trinkt |
Dea dringd no |
Da
Mō dringd |
Die bleibt auch zuhause |
Die Frau bleibt zuhause |
De
blaibt a dahoàm |
De
Frau blaibt dahoàm |
Das
System der Deiktika ('hier', 'da', 'dort') ist nur zweistufig
'(des) dò(da)', während 'hier' nicht existiert im Dialekt. Auch
das neutrale Demonstrativpronomen 'des' wird deiktisch
verwendet:
'Nim des
doda!' - 'Nimm dieses hier!'
Demonstrativpronomina können auch nominal gebraucht werden:
Hochdeutsch |
Bayrisch |
Der schläft |
Deà schlafd |
Das ist mir egal |
Des is mià wuàschd |
Sie ist da drinnen |
De
is dò drin |
Ihr ist kalt |
Deàra is koid |
Im
nominal gebrauchten Dativ Plural gibt es die Sonderformen 'dena'
- 'denen', wie z.B. in 'gib dena a a Dsigräddn' ('Gib denen auch
eine Zigarette') oder 'des is da Combjuda von dena' ('Das ist
der Computer von denen').
Nominaler
Gebrauch der Demonstrativpronomina:
Bestimmter Artikel |
männl. |
weibl. |
sächl. |
Nom. |
deà |
de |
des |
Akk. |
den |
de |
des |
Dat. |
dem |
deàra |
dem |
Plural |
|
|
|
Nom./Akk. |
de |
de |
de |
Dat. |
dena |
dena |
dena |
Häufig
verbindet sich das nominal gebrauchte Demonstrativpronomen mit
dem Deiktikum 'dò' ('da'), wie in 'deà dò' ('der da'), um
größere deiktische Entfernung auszudrücken. Ein Unterschied
zwischen schwacher Deixis ('der') und starker Deixis
('dieser/jener') existiert nicht ausdrücklich, wenn man von der
emphatischen Vokallängenunterschiedung ('de' vs. 'dee') und der
Sonderform 'des dò dòadn' absieht.
Der
unbestimmte Artikel
Der
unbestimmte Artikel hat folgende Formen:
Unbest. Art. |
männl. |
weibl. |
sächl. |
Nom. |
a
Hund |
a
Flaschn |
a
Bià |
Akk. |
an
Hund |
a
Flaschn |
a
Bià |
Dat. |
am
Hund |
ana Flaschn |
am
Bià |
Es gibt
keinen unbestimmten Artikel im Plural.
Eigenschaftswörter (Adjektive)
Adjektive
werden im Deutschen nach sogenannter starker und schwacher
Deklination mit dem Nomen und dem Artikel in Übereinstimmung
gebracht; diese Einteilung findet sich auch im Bayrischen.
Unbest. |
männl. |
weibl. |
sächl. |
Nom. |
a
gloàna Hund |
a
gloàne Flaschn |
a
gloàns Bià |
Akk. |
an
gloàna Hund |
a
gloàne Flaschn |
a
gloàns Bià |
Dat. |
an
gloànan Hund |
ana gloàna Flaschn |
am
gloàna Bià |
Pl. |
gloàne Hund |
gloàne Flaschn |
gloàne Bià |
|
|
|
|
Best. |
männl. |
weibl. |
sächl. |
Nom. |
da
gloàna Hund |
de
gloàne Flaschn |
des gloàne Bià |
Akk. |
den gloàna Hund |
de
gloàne Flaschn |
des gloàne Bià |
Dat. |
dem gloàna Hund |
da
gloàna Flaschn |
dem gloàna Bià |
Pl. |
gloàne Hund |
gloàne Flaschn |
gloàne Bià |
Aber: 'a
feschs Madl' ('eine hübsche junge Frau'), 'a frischs Bià' ('ein
frisches Bier')
Vergleich (Komparation)
Die
Komparation (Steigerung) als Eigenschaft der Adjektive; ist im
Prinzip nicht von der deutschen verschieden (a, b), es kommt zu
morphophonologischen Prozessen wie in b). Die l-Vokalisierung
des Bayrischen greift auch bei Adjektiven mit auslautendem '-l',
wie unter c):
a) |
schiàch |
schiàcha |
am
schiàchsdn |
|
sche |
schena |
am
schensdn |
|
lang |
länga |
am
längsdn |
b) |
wuid |
wuida |
am
wuidasdn |
|
fareggd |
fareggda |
am
fareggdasdn |
c) |
schnei |
schnäia |
am
schnäisdn |
Fürwörter (Pronomina)
Die
Demonstrativpronomina wurden in einem früheren Abschnitt
(Artikel und Demonstrativpronomina) behandelt.
Persönliche Fürwörter (Personalpronomina)
Das
System der Personalpronomina im Dialekt zeichnet sich dadurch
aus, daß es betonte Vollformen und reduzierte klitische Formen
gibt. Vollformen sind eigene Funktionswörter und werden in
betonter Position verwendet, Klitika sind keine eigenen Wörter,
sondern an ein anderes Wort angehängt, im Bayrischen bei
nachgestellter Postition an ein Verb (z.B. 'bis-d' - 'bist du'.
'ham-ma' - 'haben wir').
Pers. |
Nom. |
Akk. |
Dat. |
1. Sing. |
i |
mi |
mià |
2. Sing. |
du/-d |
di |
dià |
3. Sing. männl. |
eà/-a |
eàm |
eàm |
3. Sing. weibl. |
sie/-s |
sie |
ià |
3. Sing. sächl. |
s/-as |
s |
s |
1. Pl. |
mià/-ma |
uns/-s |
uns |
2. Pl. |
ià
bzw. es/-s |
aich |
aich |
3. Pl. |
se/-s |
se |
eana |
Als
Höflichkeitsform wird die 3. Person verwendet.
Zusätzlich wird unterschieden zwischen emphatischen und
gewöhnlichen Pronomina (ähnlich dem französischen 'moi, je vais
au cinema'), aber mit unterscheidbaren Formen nur in der 1. und
2. Person Singular.
|
normal |
emphatisch |
1. Pers. Sing. Dat. |
eà
sogd's ma |
eà
sogd's mià |
2. Pers. Sing. Dat. |
eà
sogd's da |
eà
sogd's dià |
Rückbezogene Fürwörter (Reflexivpronomina)
Die
Reflexivpronomina verhalten sich bis auf eine Ausnahme regulär:
|
Singular |
Plural |
1. Person |
I
hòb mi |
mià ham uns |
2. Person |
du
hòsd di |
ià
habts aich |
3. Person |
eà
hòd se |
se
ham se |
In
unmittelbarer Kombination des Reflexivums der 3. Person Singular
mit dem Personalpronomen der 3. Person Neutrum kommt es zur
Dissimilation beider Pronomina: ‚se’ wird ‚sa’:
'wià sa
se gheàt' - 'wie es sich gehört' im Gegensatz zu 'es gheàt se' -
'es gehört sich'.
Besitzanzeigende Fürwörter (Possessivpronomina)
Die
nachfolgenden Formen der bayrischen Possessivpronomina weisen
keine formalen Besonderheiten auf. Zu einigen Eigenarten der
Verwendung vergleichen Sie das Kapitel über Syntax.
Bei den
nominalisierten Possessivpronomina entwickelten sich zwei
Formen, zum einen die in den Tabellen unten angeführten wie in
‚des is maina’ - ‚das ist meiner’ und zum anderen ein
derivierter bei Artikelverwendung wie in ‚des is da Mainige’ -
‚das ist der Meinige’.
1. Pers. Sing.
|
männl. |
weibl. |
sächl. |
Plural |
Nom. |
mai |
mai |
mai |
maine |
Akk. |
main |
mai |
mai |
maine |
Dat. |
main |
maina |
main |
maine |
Nominalisiert |
maina |
maine |
mains |
maine |
|
|
|
|
|
2. Pers. Sing. |
männl. |
weibl. |
sächl. |
Plural |
Nom. |
dai |
dai |
dai |
daine |
Akk. |
dain |
dai |
dai |
daine |
Dat. |
dain |
daina |
dain |
daine |
Nominalisiert
|
daina |
daine |
dains |
daine |
|
|
|
|
|
3. Pers. Sing. |
männl. |
weibl. |
sächl. |
Plural |
Nom. |
sai |
sai |
sai |
saine |
Akk. |
sain |
sai |
sai |
saine |
Dat. |
sain |
saina |
sain |
saine |
Nominalisiert |
saina |
saine |
sains |
saine |
|
|
|
|
|
3. Pers. Sing. Fem. |
männl. |
weibl. |
sächl. |
Plural |
Nom. |
ià |
ià |
ià |
iàre |
Akk. |
iàn |
ià |
ià |
iàre |
Dat. |
iàn |
iàra |
iàn |
iàre |
Nominalisiert |
iàra |
iàre |
iàs |
iàre |
|
|
|
|
|
1. Pers. Plural |
männl. |
weibl. |
sächl. |
Plural |
Nom. |
unsa |
unsa |
unsa |
unsare |
Akk. |
unsan |
unsa |
unsa |
unsare |
Dat. |
unsan |
unsara |
unsan |
unsare |
Nominalisiert |
unsara |
unsare |
unsas |
unsare |
|
|
|
|
|
2. Pers. Plural |
männl. |
weibl. |
sächl. |
Plural |
Nom. |
aia |
aia |
aia |
aire |
Akk. |
ain |
aia |
aia |
aire |
Dat. |
aian |
aira |
aian |
aire |
Nominalisiert |
aiara |
aire |
aias |
aire |
|
|
|
|
|
3. Pers. Plural |
männl. |
weibl. |
sächl. |
Plural |
Nom. |
eàna |
eàna |
eàna |
eànare |
Akk. |
eànan |
eàna |
eàna |
eànare |
Dat. |
eànan |
eànara |
eànan |
eànare |
Nominalisiert |
eànara |
eànare |
eànas |
eànare |
Fragewörter (Interrogativpronomina)
Nom. |
wer |
weà |
|
was |
wos |
Akk. |
wen |
wen |
Dat. |
wem |
wem |
|
welcher, welches, welche |
weicha, weichs, weiche; (auch) wos fiar (a) ... |
|
weswegen |
wega wos, zweng(s) wos |
|
wessen |
wem sai |
|
wieso, warum |
wiàso, warum |
Die
deutschen Pronomina 'worauf, -raus, -her, -hin' werden
analytisch dargestellt:
Bayrisch |
Hochdeutsch |
wo
... hi |
wohin |
fo
wo |
woher |
an
wos |
woran |
aus wos |
woraus |
auf wos |
worauf |
Beispiele:
Bayrisch |
Hochdeutsch |
Wo
gäsd'n du hi? |
Wo
gehst du denn hin? |
Fo
wo kummsd'n du heà? |
Woher kommst du denn? |
An
wos dengsd'n grōd? |
Woran denkst du denn gerade? |
Aus wos is'n des gmachd? |
Woraus ist das gemacht? |
Auf wos hädsd'n Lust? |
Worauf hättest du Lust? |
Unbestimmte Fürwörter (Indefinitpronomina)
Die
unbestimmten Fürwörter ‚olle, mancha, iàgandweiche, a jeda,
koàna, koàne, mer(a(ne))’ und die nur nominal gebrauchten ‚iàgandwos,
iàgandweà, neàmde, neàmads, nix’ zeigen keine Unterschiede zum
Hochdeutschen. Lediglich die Endungen von ‚meà(ra)’
unterscheiden sich teilweise im normalen, regelmäßig aber im
prädikativen und nominalen Gebrauch: ‚Haid hosd meà(ra) bià
drunga wià gesdan’ (‚Du hast heute mehr Bier getrunken als
gestern’), ‚Waiswiàschd hod’s gesdan mera gem’ (‚Weißwürste hat
es gestern mehr gegeben’) und ‚I hob da doch merane higlegd’
(‚Ich habe dir doch mehrere hingelegt’).
Zahlwörter – Grundzahlen und Ordnungszahlen (Numeralia und
Ordinalia)
Bei den
Grundzahlen unterscheidet man determinierende und nominale
Formen:
Hochdeutsch |
Bayrisch |
|
|
determinierend |
nominal |
eins |
oàns |
oàna |
zwei |
zwoà |
zwoà |
drei |
drai |
drai |
vier |
fià |
fiàre |
fünf |
fümf |
fümfe |
sechs |
sex |
sexe |
sieben |
sim |
simme |
acht |
āchd |
āchde |
neun |
nain |
naine |
zehn |
zen |
zene |
elf |
äif |
äife |
zwölf |
zweif |
zweife |
dreizehn |
draizen |
draizene |
vierzehn |
fiàzen |
fiàzene |
fünfzehn |
fuchzen |
fuchzene |
sechzehn |
sechzen |
sechzene |
siebzehn |
sibzen |
sibzene |
achtzehn |
achzen |
achzene |
neunzehn |
nainzen |
nainzene |
zwanzig |
zwanzg |
zwanzge |
dreißig |
draisg |
draisge |
vierzig |
fiàzg |
fiàzge |
fünfzig |
fuchzg |
fuchzge |
Die
Numeralkomposita benötigen ein Interfix ‚-a-‚ bzw. ‚-ra-‚:
Hochdeutsch |
Bayrisch |
einundzwanzig |
oànazwanzg |
zweiundzwanzig |
zwoàrazwanzg |
dreiundzwanzig |
draiazwanzg |
vierundzwanzig |
fiàrazwanzg |
fünfundzwanzig |
fümfazwanzg |
sechsundzwanzig |
sexazwanzg |
Die
höheren Zahlen sind ohne Besonderheiten:
Hochdeutsch |
Bayrisch |
hundert |
hundad |
tausend |
dausnd |
Die
Ordnungszahlen sind den Deutschen äquivalent:
Hochdeutsch |
Bayrisch |
der erste |
da
eàsde |
der zweite |
da
zwoàdde |
der dritte |
da
dridde |
der vierte |
da
fiàdde |
der einunddreißigste |
da
oànadraissigsde |
Verben
Im
Bayrischen existieren nur zwei synthetisch gebildete Verbformen:
der ('i gä' - 'ich gehe') und den Konjunktiv ('i gangad' - 'ich
ginge'). Alle anderen Verbformen werden analytisch, also mittels
Zuhilfenahme von Auxiliarverben gebildet.
Der
Rückgang der synthetischen Verbbildung im Bayrischen ermöglicht
es, daß auch die Grundformen wie Präsens Indikativ analytisch
ausgedrückt werden können: 'i duà kocha' ('ich tue kochen')
statt 'i koch' ('ich koche'). Dasselbe gilt auch für die
Konditional-Formen: 'i dad schraim' für 'i schraibad'.
Besonderheiten bei Verben
Die
Konjugation des bayrischen Verbs lautet im Normalfall:
Inf. |
macha |
Part. Perf. |
gmachd |
|
|
|
|
1.Pers. Sing. |
i
mach |
1.Pers. Plur. |
mià macha(n) |
2.Pers. Sing. |
du
machsd |
2.Pers. Plur. |
ià/es
machds |
3.Pers.Sing. |
eà/sie
machd |
3.Pers. Plur. |
sie macha(n) |
Die
Verben zeigen im Bayrischen ungewöhnliche Formen. Es ereignet
sich eine Längung des Vokals in der 1. Person Singular und der
deutsche Umlaut für die 2. und 3. Person Singular fehlt.
Inf. |
laffa |
Part. Perf. |
glaffa |
|
|
|
|
1.Pers. Sing. |
i
laf |
1.Pers. Pl. |
mià laffa |
2.Pers. Sing. |
du
lafsd |
2.Pers. Pl. |
ià/es lafds |
3.Pers. Sing. |
eà/sie lafd |
3.Pers. Pl. |
sie laffa |
Plosive
und Obstruenten im Wortanlaut (p,t,k,b,d,g und z [ts])
verhindern die Präfigierung mit 'ge-' beim Partizip Perfekt:
p- |
Inf. |
plärrn |
Part. Perf. |
plärrt |
t- |
Inf. |
dringa |
Part. Perf. |
drunga |
k- |
Inf. |
kocha |
Part. Perf. |
kochd |
b- |
Inf. |
bschdein |
Part. Perf. |
bschdeid |
d- |
Inf. |
duschn |
Part. Perf. |
duschd |
g- |
Inf. |
gem |
Part. Perf. |
gem |
z- |
Inf. |
zupfa |
Part. Perf. |
zupfd |
Die
Klasse der auf '-gen' endenden Verben wie 'sagen, tragen,
klagen' wird invertiert zu '-ng':
Inf. |
song |
Part. Perf. |
gsògd |
|
|
|
|
1. Pers. Sing. |
i
sòg |
1. Pers. Pl. |
mia song |
2. Pers. Sing. |
du
sògsd |
2. Pers. Pl. |
ià/es sògds |
3. Pers. Sing. |
ea/si sògd |
3. Pers. Pl. |
sie song |
Auf '-t'
auslautende Verbstämme erhalten den harten Auslaut: 'eà huast'
('er hustet'), 'eà hairat' ('er heiratet').
Auf
palatalen Nasalvokal endende Verben zeigen irreguläre Bildungen
der Form -nga(n)' in der 1., 3. Pers. Plur. und im Part. Perf.:
Inf. |
ge |
Part. Perf. |
ganga |
|
|
|
|
1. Pers. Sing. |
i
gä |
1. Pers. Pl. |
mià genga |
2. Pers. Sing. |
du
gäsd |
2. Pers. Pl. |
ià/es gäz |
3. Pers. Sing. |
ea/si gäd |
3. Pers. Pl. |
sie gengan |
Die
Hilfsverben sind irregulär, nämlich 'weàn', 'sai', 'hom'; Das
Hilfsverb 'doà' ist regulär mit Ausnahme des Partizip Perfekt.
Inf. |
sai |
Part. Perf. |
gwen/gwesn |
|
|
|
|
1. Pers. Sing. |
i
bin |
1. Pers. Pl. |
mià san |
2. Pers. Sing. |
du
bisd |
2. Pers. Pl. |
ià/es sats |
3. Pers. Sing. |
eà/si
is |
3. Pers. Pl. |
sie san |
|
|
|
|
Inf. |
hom |
Part. Perf. |
ghabt |
|
|
|
|
1. Pers. Sing. |
i
hob |
1. Pers. Pl. |
mià ham |
2. Pers. Sing. |
du
hosd |
2. Pers. Pl. |
ià/es habts |
3. Pers. Sing. |
eà/sie hod |
3. Pers. Pl. |
sie ham |
|
|
|
|
Inf. |
weàn |
Part. Perf. |
woàn |
|
|
|
|
1. Pers. Sing. |
i
weà(d) |
1. Pers. Pl. |
mià weàn |
2. Pers. Sing. |
du
weàsd |
2. Pers. Pl. |
ià/es weàds |
3. Pers. Sing. |
eà/sie weàd |
3. Pers. Pl. |
sie weàn |
'weàn'
bildet in Verbindung mit Klitika Sonderformen: 'mià weàn', aber
'weàma' (im Gegensatz zu 'weàn mià').
Inf. |
doà |
Part. Perf. |
do |
|
|
|
|
1. Pers. Sing. |
i
duà |
1. Pers. Pl. |
mià deàn |
2. Pers. Sing. |
du
duàsd |
2. Pers. Pl. |
ià/es deàds |
3. Pers. Sing. |
eà/sie duàd |
3. Pers. Pl. |
sie deàn |
Modalverben
Die
Konjugationen der Modalverben ('woin, soin, deàfa, miàsn, kenna,
meng') ist regulär. Modalverben können im Konjunktiv auch
synthetisch geformt werden ('i mächad, i kandad, i miàsad, i
soidad, i woidad'). Die Verwendung des Konjunktivs bei
Modalverben ist weit häufiger als bei lexikalischen Vollverben.
Die
folgende Tabelle erklärt, welche Bedeutungen einzelne
Modalverben haben, wenn sie als Ausdruck einer Vermutung
verwendet werden.
Beispiel |
Bedeutung |
Grad der Vermutung |
Deà muàs gesdan sein
Spezi ogriàfa hom. |
Er hat gestern ganz
sicher seinen Freund angerufen. |
sehr hoch |
Deà deàfad gesdan sein
Spezi ogriàfa hom. |
Er hat gestern
wahrscheinlich seinen Freund angerufen. |
hoch |
Deà mächad gesdan sein
Spezi ogriàfa hom. |
Vielleicht hat er gestern
seinen Freunden angerufen. |
mittel |
Deà kandad gesdan sein
Spezi ogriàfa hom. |
Möglicherweise hat er
gestern seinen Freund angerufen. |
gering |
Deà soidad gesdan sein
Spezi ogriàfa hom. |
Jemand (z.B.seine
Freundin) hat gesagt, dass er gestern seinen Freund
angerufen hat. |
unwahrscheinlich |
Deà wui gesdan sein Spezi
ogriàfa hom. |
Er selber behauptet, dass
er gestern seinen Freund angerufen hat. |
höchst unwahrscheinlich |
TAM =
Tense - Aspect - Mode
Alle
TAM-Formen außer Präsens und Konditional werden durch
Zuhilfenahme eines Auxiliar- oder Modularverbes gebildet,
nämlich 'sai', 'hom', 'doà', 'weàn'. Es gibt kein Präteritum für
Vollverben wie im Hochdeutschen.
Inf. |
song |
Part. Perf. |
gsògd |
|
|
|
|
Indik. Präs. |
i
sōg, i duà song |
Kond. Präs. |
i
dad song, i sogad |
Indik. Perf. |
i
hob gsògd |
Kond. Perf. |
i
häd, hädad gsògd |
Indik. Fut. |
i
weà song |
Kond. Fut. |
i
dad song |
Imperf. 2. Pers. |
sōg! |
Imperf. 1. Pers. |
songma! |
Imperf. 2. Pers. Pl. |
sògd's! |
Imperf. 3. Pers. Pl. |
sògd's! |
|
|
|
|
Inf. |
esn |
Part. Perf. |
gesn |
|
|
|
|
Indik. Präs. |
i
is |
Kond. Präs. |
i
dad esn |
Indik. Perf. |
i
hob gesn |
Kond. Perf. |
i
häd gesn, i esat |
Indik. Fut. |
i
weà esn |
Kond. Fut. |
i
dad esn |
Imperf. 2. Pers. |
is! |
Imperf. 1. Pers. |
es
ma! |
Imperf. 2. Pers. Pl. |
ests! |
Imperf. 3. Pers. |
esn's! |
|
|
|
|
Inf. |
doà |
Part. Perf. |
do |
|
|
|
|
Indik. Präs. |
i
duà |
Kond. Präs. |
i
dad |
Indik. Perf. |
i
hob doà |
Kond. Perf. |
i
dad |
Indik. Fut. |
i
weà doà |
Kond. Fut. |
i
dad |
Imperf. 2. Pers. |
duà! |
Imperf. 1. Pers. |
deà ma! |
Imperf. 2. Pers. Pl. |
deàds! |
Imperf. 3. Pers. |
deàn's! |
Das
Plusquamperfekt existiert in seiner eigentlichen Funktion nicht
im Bayrischen. Es wird ersetzt durch die Formen des Partizip
Perfekt. Möglicherweise ist durch die identische Bildung des
Konjunktivs mit Auxiliar der Gebrauch gehemmt: 'ich war fort
gegangen'; 'ich wäre fort gegangen' wird zu 'I wa(r) wegganga'.
Im
Bayrischen existiert das "futurum exactum", das eine Referenz
auf ein zukünftiges Ereignis im Nachhinein darstellt, z.B. 'Er
wird das Bier schon getrunken haben' ist im Bayrischen ebenso
formbar: 'Eà weàd des Bià scho drunga hom'.
Vergangenheitsform der Hilfs- und Umstandsverben (Auxiliar- und
Modalverben)
Hilfs-
und Umstandsverben werden ähnlich den deutschen Verbformen
gebildet (die markierten Formen existieren nicht):
Verb |
Perfekt |
Präteritum |
woin |
i
hob ned dringa woin |
i
woid ned dringa |
soin |
i
hob ned dringa soin |
i
soid ned dringa |
miàsn |
i
hob ned dringa miàsn |
*i
muàsd ned dringa |
deàfa |
i
hob ned dringa deàfa |
*i
duàfd ned dringa |
kenna |
i
hob ned dringa kenna |
*i
kond ned dringa |
|
|
|
Verb |
Perfekt |
Präteritum |
ham |
i
hob's ned gheàd |
*i
heàd's ned |
sai |
i
bin's ned gwen |
i
wa's ned |
doa |
i
hob's ned doa |
*i
dad's ned |
wean |
i
bin's ned woan |
*i
wuad's ned |
Lokativische Angaben und Präpositionen
Einige
Präpositionen des Bayrischen ergeben aus Präposition und Artikel
Sonderformen (Kontraktionsformen) des bestimmten Artikels:
'wäg'am bià' (Kausal), 'fo am bià' (Partitiv), 'new'am bià',
'foam bià' (Lokativ).
Lokativische Bedeutungen werden in der Verbmorphologie durch
Verbpräfixe mit lokativischem Charakter ausgedrückt. Es gibt
erweiterte Formen von Verbpräfixpaaren mit direktiver Bedeutung,
von denen diejenigen auf '-e' den Standpunkt vor der Bewegung,
die auf '-a' den Standpunkt nach der Bewegung beschreiben:
Hochdeutsch |
Bayrisch |
Hochdeutsch |
Bayrisch |
Ich gehe hinauf |
I
gä nauf/auffe |
Ich gehe herauf |
I
gä auffa |
Ich gehe hinaus |
I
gä naus |
|
|
Ich gehe hinunter |
I
gä owe |
Ich gehe herunter |
I
gä owa/nunda |
Ich gehe hinüber |
I
gä ume |
Ich gehe herüber |
I
gä uma |
Ich gehe hinein |
I
gä nai |
|
|
Ich gehe nach vorne |
I
gä fiàre |
|
|
Ich gehe nach hinten |
I
gä hintre |
|
|
Ich gehe davon |
I
gä dafo |
|
|
Ich gehe hin |
I
gä hi |
|
|
Ich gehe herum |
I
gä umanand |
Er
steht herum |
Ea
städ umanand |
Die
folgenden Verbpräfixe drücken lokativische Bedeutung aus:
Hochdeutsch |
Bayrisch |
Ich bin hier |
I
bin do |
Ich bin weg |
I
bin weg(a) |
Ich bin oben |
I
bin om |
Ich bin unten |
I
bin undn |
Ich bin drüben |
I
bin drim |
Wortbildung (Derivation und Komposition)
Im
Bereich der Wortbildung durch Komposition und Derivation gelten
prinzipiell die gleichen Regeln wie im Hochdeutschen.
Die dem
Partizip Präsens des Deutschen entsprechenden Formen werden eher
analytisch als synthetisch gebildet: 'das rennende Pferd' – 'des
Pfeàdl wo rend', meist noch mit dem deiktischen Zusatz 'des
Pfeàdl, des wo do rend'. Wenn die Form synthetisch gebildet
wird, endet sie nicht auf '-end', sondern '-ad', wie z.B. 'der
denkende Mensch' – 'da dengade Mensch'. Bei idiomatischen
Ausdrücken ist sie lexikalisiert: 'a gschdingada Kās' – 'ein
stinkender Käse'. |